Headless CMS Part I: Wo bleibt das Hirn, wenn der Kopf fehlt?

technology 5 Min. Lesezeit Sydney Luca-Lion

Content-Management-Systeme sind klassische Werkzeuge für das Publizieren digitaler Inhalte – und sie stossen an ihre Grenzen: Die digitale Landschaft wird immer heterogener (Apps, Tablets, Alexa, Augmented Reality, was auch immer als nächstes kommt), und die Ansprüche an kanalübergreifenden Content steigen. Neuen Lösungen sind deshalb flexibel, innovativ und... kopflos?

<strong>Headless CMS Part I</strong>: Wo bleibt das Hirn, wenn der Kopf fehlt?

Zeit für ein Interview

Wenn Sie mit Inhalten im Internet arbeiten, sind Sie wahrscheinlich vertraut mit Content-Management-Systemen (CMS) – ein Begriff, der mittlerweilen so ziemlich ins Standard-Lexikon gehört. Während meiner Arbeit bei Eyekon fiel mir aber auf, dass sich immer öfter ein zweites Wort dazu gesellte: «headless». Ich wurde neugierig. Ist kopflos eine gute oder eine schlechte Sache? Wo ist der Kopf hin? Ich habe deshalb bei unserem technischen Leiter Jonas nachgefragt – und er hat nicht nur alle meine Fragen beantwortet, sondern auch seine etwas kontroverse Sichtweise auf das Thema offenbart (Cliffhanger!).

Die Grundlagen über Headless CMS

Sydney: Also Jonas, zunächst einmal: Was ist ein Headless CMS? Warum «kopflos»?

Jonas: Ein Headless CMS ist im Grunde genommen nur ein Backend – es verwaltet Daten, also «reinen» Inhalt ohne Layout und Design, und gibt diesen über ein standardisiertes Format wieder aus. Bei einem klassischen CMS wird der Inhalt zusammen mit den Darstellungs- und Anzeigeaspekten verwaltet und vom gleichen System formatiert und ausgegeben. Dabei wird in der Regel keine Rücksicht auf das Endgerät genommen.

Angenommen du programmierst ein firmeninternes Telefonbuch. Du erfasst also alle Daten zu einer Person und gibst eine Tabelle mit Einträgen für Name, Adresse, Telefonnummer wieder aus. Schön formatiert mit einem «Zebra-Muster», damit die Zeilen auch gut lesbar sind. Das funktioniert optimal für eine Website, aber was, wenn du eine Apple Watch besitzt? Diese wird mit der Tabelle nichts anfangen können, weil einfach das Display viel zu klein ist. Ein Headless CMS hingegen liefert lediglich die Daten, ohne vorgegebene Anzeige. Wenn du zur Smart Watch sagst: «Rufe Samuel an», dann muss nur eine Telefonnummer ausgewertet und angerufen werden.

Ein Headless CMS liefert lediglich Daten, ohne Layout und Design.

Ein wichtiger Punkt ist, dass ein Headless CMS ideal für den kanalübergreifenden Einsatz ist. Der modulare Inhalt kann an eine App geliefert werden, an ein Device mit Sprachunterstützung wie eine Smart Watch, oder an einen Browser. Das hat zur Folge, dass man Inhalte nicht mehrfach, für jede Nutzung getrennt einfügen muss, nur um sie auf verschiedenen Systemen unterschiedlich auszuspielen – was bei klassischen CMS oft der Fall ist. Eigentlich ein riesen Vorteil von Headless CMS, aber...

Falscher Hype und Zombie-Alarm

Das klingt nach einem fortschrittlichen System - aber?

Bis zu einem gewissen Grad liefert das System einfach Inhalte, aber es hat keine Ahnung, was es als nächstes tun soll. Also... ein Headless CMS ist ein bisschen dumm, wenn ich das so sagen darf.

Ich nehme es dir nicht übel. Aber was meinst du damit genau?

(Eine nachdenkliche Pause) Okay, vielleicht ist es nicht dumm, aber für sich genommen ist es nicht so nützlich, wie alle behaupten. Es ist nur der Anfang einer guten Lösung. Stell dir das kopflose CMS als Tankstelle vor: Die Aufgabe der Tankstelle besteht lediglich darin, Kraftstoff zu liefern – unabhängig vom Fahrzeug.

Es gibt aber unterschiedliche Arten von Fahrzeugen, die ganz unterschiedliche Aufgaben erfüllen können. Sportwagen, Kombis, Lieferwagen, etc. Sie alle nutzen den gleichen Treibstoff. Was damit gemacht wird hängt aber davon ab, welche Fähigkeiten das Fahrzeug mitbringt. Ein Sportwagen hat ganz andere Aufgaben und Funktionen als ein Lastwagen.

Worauf ich hinaus will: Der «Headless»-Trend ignoriert, dass der Kopf (oder im vorherigen Beispiel eben das Auto) mit seinen individuellen Eigenschaften den Nutzen bringt. Natürlich, ohne Treibstoff, oder eben Daten, geht nichts, aber der Mehrwert wird woanders generiert!

Damit ein kopfloses CMS zu einer grossartigen Lösung wird, muss es erweitert werden. Der Hype sollte sich um «kluge» Köpfe (Smart Heads™?) drehen, in Verbindung mit einem Headless CMS.

Verstehe. Aber auch ein klassisches CMS kann alle diese Ansprüche nicht erfüllen. Was ist dann die Lösung?

Damit ein kopfloses CMS zu einer grossartigen Lösung wird, muss es erweitert werden. Der Hype sollte sich um «kluge» Köpfe (Smart Heads™?) drehen, in Verbindung mit einem Headless CMS. Ich habe bereits erwähnt, dass der Körper wichtig ist, aber es ist der Kopf, der sagt, in welcher Welt wir uns befinden – er hat ein Gehirn, Willenskraft, Ideen.

Man macht das System also kopflos, und setzt dann trotzdem einen Kopf drauf?

Genau. Man muss wirklich das ganzes System sehen. Wir wollen kundenspezifische Lösungen schaffen, um spezifische Probleme anzugehen. Um das zu erreichen, genügt ein kopfloses CMS nicht. Denn ein CMS ohne Kopf ist nur ein Zombie. Und wer will schon, dass seine Webpräsenz von einem Zombie verwaltet wird?

Kopflose Komponenten mit einem klugen Kopf

Das verstehe ich jetzt nicht ganz.

Nehmen wir eine Unternehmenswebsite: Sie stellt alle Aspekte des Unternehmens dar und sollte Geschäfts-, Produkt-, Benutzerdaten und redaktionelle Inhalte möglichst integriert zusammenführen.

Ohne diesen integralen Ansatz arten Webpräsenzen schnell in unübersichtlichen Konstrukten aus: Ein www.firma.com mit dem CMS, ein separater Shop unter shop.firma.com, einen Blog unter blog.firma.com und so weiter. Alles nebeneinander, mit einer haarsträubenden User Experience!

Was wir also haben wollen: Verschiedene kopflose Systeme als Komponenten – ein kopfloses System für Inhalte, ein kopfloses System für Produktdaten, losgelöste Prozesse für den Shop, usw. – vereint und integriert von einem «Superhirn», das alles zusammenbringt und steuert. Wie genau dieses Superhirn, oder eben der Smart Head, aussieht und was bei der Konzeption beachtet werden muss, würde den Umfang dieses Interviews jetzt sprengen. Aber ich bin sicher, wir finden bald mal wieder Zeit, um darüber zu sprechen...

(to be continued)

Das Interview führte Sydney Luca-Lion mit Jonas Fahrni.



Möchten Sie erfahren, wie Headless CMS in der Praxis eingesetzt werden? Schauen Sie sich unsere Projekt-Dokumentationen für EAO und Compona an.