Digitale Gleichberechtigung: Weshalb sich Schweizer Unternehmen jetzt um Barrierefreiheit kümmern müssen

inspiration, customer-experience, business 4 min Lesezeit Severin Stillhard

Der European Accessibility Act (EAA) tritt im Juni 2025 in Kraft. Er verpflichtet Unternehmen, ihre Websites, Online-Shops und mobile Apps so zu gestalten, dass sie von allen Menschen genutzt werden können, unabhängig von ihren individuellen Einschränkungen. Wir zeigen, wie sich Unternehmen in der Schweiz jetzt darauf vorbereiten sollten.

<strong>Digitale Gleichberechtigung:</strong> Weshalb sich Schweizer Unternehmen jetzt um Barrierefreiheit kümmern müssen

Warum Barrierefreiheit im Web wichtig ist?

Wussten Sie, dass rund 20% der Bevölkerung situativ oder dauerhaft auf barrierefreie digitale Angebote angewiesen sind? Das bedeutet, dass jede fünfte Person Schwierigkeiten haben könnte, Ihre Website zu nutzen, wenn sie nicht barrierefrei gestaltet ist.

Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Sehschwäche und können Inhalte ohne starke Kontraste nur schwer erkennen. Oder Sie haben eine motorische Einschränkung, die es erschwert, eine Maus zu benutzen. Barrierefreiheit im Web sorgt dafür, dass solche Hürden abgebaut werden und erleichtert vielen Menschen den Zugang zu digitalen Angeboten.

Wie sieht Barrierefreiheit konkret aus?

Barrierefreiheit orientiert sich an den internationalen Web Content Accessibility Guidelines (WCAG). Diese definieren vier Prinzipien: wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust. Hier ein Überblick, wie diese Prinzipien in der Praxis umgesetzt werden können:

  • Hohe Kontraste (WCAG: Wahrnehmbar): Farben mit starkem Kontrast (z. B. dunkler Text auf hellem Hintergrund) helfen Menschen mit Sehschwäche. Tools wie ein Contrast Checker können dies überprüfen.
  • Navigation per Tastatur (WCAG: Bedienbar): Alle Funktionen einer Website – wie das Auswählen eines Menüpunkts oder das Ausfüllen von Formularen – müssen ohne Maus bedienbar sein. Testen Sie: Können Sie Ihre gesamte Webseite mit der Tabulator-Taste durchgehen?
  • Klare Struktur (WCAG: Verständlich): Überschriften und Absätze sollten logisch gegliedert sein. Beispielsweise hilft die Nutzung von HTML-Elementen wie h1 bis h6 Screenreadern, Inhalte effizient vorzulesen.
  • Einfache Sprache (WCAG: Verständlich): Inhalte sollten kurz, prägnant und ohne Fachjargon formuliert sein. Beispiel: Statt „Implementierung eines responsiven Frameworks“ könnte man „Anpassung Ihrer Website für alle Bildschirmgrößen“ schreiben.
  • Robustheit der Technik (WCAG: Robust): Eine Webseite sollte in allen modernen Browsern und auf verschiedenen Endgeräten funktionieren. Stellen Sie sicher, dass Ihre Website mit Screenreader-Software wie NVDA oder VoiceOver von Apple getestet wird.

Weshalb besteht jetzt Handlungsbedarf?

Auch wenn die Schweiz nicht zur EU gehört, betrifft der EAA auch Schweizer Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen im EU-Raum anbieten. Dazu gehören insbesondere:

  • E-Commerce und Online-Shops: Verkaufsplattformen, die in die EU liefern, müssen barrierefrei sein.
  • Nachrichtenseiten mit Abo-Modellen: Beispielsweise Online-Zeitungen oder Magazine, die ihre Inhalte gegen Bezahlung anbieten.
  • Werbeplattformen: Anbieter von Online-Werbeflächen oder Netzwerken.
  • Tourismus- und Verkehrsanbieter: Hotels, Portale für Reisen, Übernachtungen oder Fahrplaninformationen.

Die genaue Umsetzung des EAA variiert innerhalb den EU-Mitgliedsstaaten. Während einige Länder strikte Sanktionen bei Verstössen planen, setzen andere auf moderate Regelungen. Dennoch signalisiert der allgemeine Trend hin zu inklusivem Design, dass Barrierefreiheit immer mehr zum Standard wird. Schweizer Unternehmen sollten sich daher jetzt auf die neuen Anforderungen vorbereiten, um langfristig konkurrenzfähig zu bleiben.

Wie gehen Sie am besten vor?

Der Weg zur barrierefreien Website beginnt mit einem klaren Fahrplan. Mit diesen vier Schritten stellen Sie sicher, dass Ihre digitalen Angebote den Anforderungen gerecht werden.

  1. Vertraut machen mit den Grundlagen:
    Verschaffen Sie sich einen Überblick über die gesetzlichen Vorgaben, wie den European Accessibility Act (EAA), und die internationalen Web Content Accessibility Guidelines (WCAG). Diese definieren klare Standards für Barrierefreiheit – von der Farbkombination bis zur technischen Robustheit.
  2. Barrieren identifizieren:
    Lassen Sie Ihre Website durch ein Accessibility-Review oder Audit prüfen, um Schwachstellen aufzudecken. Gerne können wir Sie hierbei unterstützen.
  3. Erkannte Verbesserungsbereiche optimieren:
    Nach der Analyse unterstützen wir Sie bei der gezielten Anpassung der erkannten Schwachstellen.
  4. Barrierefreiheit als festen Bestandteil etablieren:
    Barrierefreiheit ist kein Einmal-Projekt, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Schulen Sie Ihr Team in den Prinzipien der Barrierefreihei und führen Sie regelmässige Reviews durch, um sicherzustellen, dass Ihre digitalen Angebote dauerhaft barrierefrei bleiben. Auch hierbei stehen wir Ihnen gerne zur Seite.

Chancen der Digitalisierung für alle

Barrierefreiheit ist nicht nur eine gesetzliche Pflicht, sondern auch eine Chance. Sie ermöglicht es, neue Zielgruppen zu erreichen und die Nutzererfahrung für alle zu verbessern: Diesen Zusammenhang haben wir bereits hier im Blogpost beschrieben. Technologien wie Sprachsteuerung oder KI-basierte Tools eröffnen zudem zusätzliche Möglichkeiten für Menschen mit Beeinträchtigungen

Wie wir helfen können

Wir legen bereits bei der initialen Erstellung von Websites, Shops und Apps Wert auf die Optimierung digitaler Erlebnisse für alle Nutzergruppen. Mehr Informationen dazu finden Sie in unserem Leistungsbereich Experience Design. Seien Sie einen Schritt voraus und machen Sie Ihren digitalen Auftritt zukunftssicher: Auch in der Schweiz gewinnt das Thema an Bedeutung, und es ist zu erwarten, dass ähnliche gesetzliche Regelungen folgen werden. Wir helfen Ihnen gern dabei, Ihre digitalen Produkte nicht nur innovativ und performant, sondern auch nutzerzentriert und für alle zugänglich zu gestalten.

Laden Sie unsere kostenlose Accessibility-Checkliste herunter, um erste Orientierungspunkte zu erhalten.

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